Was macht ein gutes Foto aus? Als ich vor 12 Jahren mit der Fotografie begonnen habe, wollte ich genau das herausfinden. Also habe ich viele Artikel und „How-To“-Anleitungen gelesen und bin dabei auf folgende Erklärung gestoßen: „Ein gutes Foto ist ein Bild, das den Blick des Betrachters einfängt.“ Ein gutes Foto ist also ein Bild, das Interesse weckt, bei dem man „hängen bleibt“ und nicht direkt zum nächsten Bild „wischt“. Aber wie macht man so ein Bild?
Da wären schon bei der Aufnahme einige Dinge zu beachten: die richtige Belichtung (Wahl von Belichtungszeit & Blende), Wahl der Brennweite, Fokus, Gestaltung (z.B. 2/3-Regel). Das sind seit fast 200 Jahren die grundlegenden Techniken der Fotografie. Aber dabei ist es nicht geblieben – dem digitalen Fotografen eröffnet sich eine komplett neue Welt: die digitale Nachbearbeitung.
Wenig Vorkenntnisse sind nötig, um innerhalb von 15 Minuten den Himmel auszutauschen. Nur die pure Tatsache der Unmöglichkeit weist auf die Manipulation hin.
Nahezu alle Parameter können heutzutage im Nachhinein angepasst werden. Ist das Bild unterbelichtet oder nicht ganz scharf? Kein Problem, das kann man ändern. Auch störende Objekte kann man mittlerweile mühelos und ohne viel Übung entfernen. Den langweiligen Himmel gegen einen traumhaften Sonnenuntergang auszutauschen geht genau so leicht, wie man Nordlichter über dem Deadvlei in Namibia platzieren kann.
Bei internationalen Naturfotowettbewerben sind solche Techniken deshalb verboten. Erlaubt ist nur, was bei der analogen Fotografie mit Film ebenfalls möglich ist: leichte Korrektur der Belichtung, Anhebung von Kontrast und Farbsättigung.
Bei digitalen Negativen sind diese Bearbeitungsschritte sogar oft nötig, denn sogenannte RAW-Dateien sind genau das: roh. Alle Informationen sind zwar vorhanden (darum sind die Dateien auch viel größer, als in einer komprimierten JPG-Datei) aber ein digitales Negativ hat wenig Kontrast und Farbbrillianz.
Damit der phantastische Sonnenuntergang genauso phantastisch auf dem Bild rüberkommt braucht es die Nachbearbeitung. Früher musste man den richtigen Film einlegen, um realistische Farben zu bekommen.
Sonnenuntergang auf dem Gipfel des Belchen/Schwarzwald
– RAW-Datei ohne digitale Nachbearbeitung
Dieselbe Datei mit leichter Anpassung von Belichtung & Kontrast
Und genau das ist es, was für die Juroren bei Fotowettbewerben ein gutes Bild ausmacht: eine möglichst realistische Wiedergabe der Situation. Was zählt sind nicht die künstlerischen Fähigkeiten in der Nachbearbeitung, sondern das technische Knowhow und der hohe persönliche Einsatz, den es verlangt, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort den Auslöser zu drücken.
Im Wettbewerb um Beifall und Ansehen ist da natürlich die Versuchung groß, eine Abkürzung zu nehmen. So war es auch für den Fotograf Marcio Cabral. Er gewann im Jahr 2018 den „Wildlife Photographer of the Year Award“ für eine Aufnahme von leuchtenden Schnellkäfern auf einem Ameisenhügel. Was sein Bild so besonders machte, war ein Ameisenbär, der genau im richtigen Moment auftauchte und den Ameisenhügel mit seinen Klauen attackierte. Harte Arbeit und lange Ausdauer, oder unfassbares Glück? Nichts von all dem – wie sich später herausstellte war der Ameisenbär ausgestopft und Marcio Cabral hatte ihn aus dem Museum des Nationalparks „ausgeliehen“. Und so wurde aus einem wirklich sehenswertem Bild ein sensationeller Betrugsfall.
Für ein wirklich gutes Foto kommt es also am Ende doch darauf an, dass es die Realität abbildet. Manche wollen deshalb überhaupt keine Bearbeitung zulassen. Das ist aus meiner Sicht zu streng und würde auch nicht zu realistischeren Fotos führen. Digitale Nachbearbeitung kann jedoch dazu beitragen, wenn keine Informationen hinzugefügt oder entfernt werden, sondern nur ausgewählte vorhandenen Informationen betont werden (z.B. Kontrast, Schärfe,…). Jemand, der dabei war sollte sagen können: „Genau so war es!“ Ein gutes Bild ist meiner Meinung nach ein Bild, dass jeder hätte machen können, der mit der gleichen Ausrüstung & Erfahrung zur gleichen Zeit am gleichen Ort gewesen wäre. Ohne digitale Tricks. Noch besser: wenn das Bild andere motiviert, selbst rauszugehen und eigene sensationelle Bilder zu machen.
Für ein richtig gutes Foto ist es oft entscheidend zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Darin liegt aber auch die Leistung guter Fotografen: Nachdem meine Erwartungen am Diamond Beach (Island) beim Sonnenuntergang enttäuscht wurden (linkes Bild), bin ich früh am nächsten Morgen noch einmal hin und konnte einen wunderbaren Sonnenaufgang erleben und fotografisch festhalten.
Und das bringt mich zur Frage, was eigentlich eine gute Predigt ausmacht.
Eine Predigt ist eigentlich wie die digitale Nachbearbeitung eines Fotos – nur dass das Original („das digitale Negativ“) schon vorhanden ist. Der Bibeltext enthält alle benötigten Informationen. Aber weil wir nicht selbst dort waren, sehen wir nur den Ausschnitt, den uns die biblischen Autoren durch den Heiligen Geist hinterlassen haben. Wie war die Situation, das Umfeld, die Wirkung auf die Hörer/Leser damals? Und wie passt das in unsere heutige Situation? Wie kann der Text heute seine ursprüngliche Wirkung entfalten?
Hier helfen uns die bewährten „Nachbearbeitungstechniken“: Kontrast, Schärfe, Klarheit und die richtige Belichtung können helfen um einen Bibeltext zum Leuchten zu bringen. Aber wie viel davon ist gut? Und ab wann ist es zu viel? Gerade in dieser Zeit, wo viele Menschen das Interesse an Glaube und Kirche verlieren und die Prediger um Klickzahlen und Watchtime konkurrieren, ist die Versuchung groß, sich in möglichst knalligen Farben zu präsentieren. Wie der Fotograf Marcio Cabral ein Foto konstruierte, dass geradezu jeden Wettbewerb gewinnen „musste“, werden Predigten „konstruiert“, die gefallen sollen. Störende Elemente im Bibeltext werden entfernt, Perikopen werden angepasst, Themen gezielt ausgewählt und manchmal wird auch die geistliche Wirklichkeit, die der Bibeltext abbildet uminterpretiert. Aber weckt eine solche Predigt wirklich Interesse, oder gar Glaube?
Wieviel Bearbeitung ist zu viel? Sonnenuntergang am Dachsteingebirge (links die unbearbeitete RAW-Datei, rechts eine stark bearbeitete Version)
Was ist eine gute Predigt? Wer mich kennt, den dürfte es nicht überraschen, wenn ich jetzt dafür plädiere, dass eine gute Predigt „möglichst nah“ am Original, dem Wort Gottes sein muss. Eine gute Predigt ist eine realistische Wiedergabe des Textes. Schließlich „kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“ (Röm 10,17)
Aber was heißt das konkret?
Für manche ist klar: „Keine Bearbeitung erlaubt!“ – erlaubt ist nur die wortwörtliche Auslegung der Heiligen Schrift in allem, was sie sagt.
Aus meiner Sicht ist das zu streng und führt auch nicht unbedingt dazu, dass wir die biblischen Texte heute noch genauso verstehen, wie sie damals und für alle Zeiten gemeint sind. Die Arbeit des Predigers ist es, durch seine Bearbeitung dem Bibeltext die gleiche Strahlkraft zu geben, die er für die damaligen Zeitzeugen hatte. Es dürfen dabei keine Inhalte entfernt oder hinzugefügt werden und besonders hüten sollte sich der Prediger davor, dem Text durch eigenwillige Interpretation der Umstände eine andere Wirkung zu geben.
Eine gute Predigt ist das Ergebnis von Bibelstudium, Gebet und Wirken des Heiligen Geistes, aber natürlich spielen auch Erfahrung und Ausrüstung eine große Rolle. Und genau deshalb ist für mich das wichtigste Merkmal einer guten Predigt, dass sie die Zuhörer dazu motiviert, selbst in der Heiligen Schrift zu studieren und mit Hilfe des Heiligen Geistes eigene sensationelle Entdeckungen zu machen.